Nachruf auf Jürgen Sinnecker

29.11.2021

Der Apfelmann

Anfang November verstarb unser uns allen als Apfel­mann bekannter Freund, Kollege und Mitglied des Pomologen-Vereins Jürgen Sinnecker.

Jürgen Sinnecker ist in Berlin aufge­wachsen und lebte seit 1982 mit seiner Frau Friedrun nahe Zehdenick inmitten von Feldern auf einem Grund­stück mit einer großen Obst­wiese. Hier pflanzte und pflegte er nicht nur die Bäume, sondern es lag ihm viel an der arten­reichen Tier- und Pflanzen­welt. Zahl­reiche Fotos von Blüten sowie großen und kleinen Tieren zeugen von seiner Liebe zum Detail.

Seit vielen Jahren begeisterte er die Kinder in Zehdenick und Umgebung, wenn er in Kinder­gärten und Schulen einge­laden wurde. Diese nannten ihn bald den Apfel­mann. Dieser Name gefiel Jürgen Sinnecker so gut, dass er von nun an der Apfel­mann war und seine Home­page so nannte.

Wer im Internet den Apfel­mann sucht, kommt sofort auf die seine Home­page, die er sehr liebe­voll für Jung und Alt, für Apfel­lieb­haber und solche, die es werden wollen, für Menschen, die obst­kundliche Unter­haltung suchen oder eine spezielle Frage zu ihrem Obst­baum oder Früchten haben, gestaltet hat. Egal ob es historische Fach­literatur oder lustige Gedichte, Koch­rezepte oder Baum­schule und Mostereien in der Region waren, Jürgen hat sie gesammelt, sortiert zusammen­gestellt und für jeden zugäng­lich gemacht.

Nicht nur im Internet, sondern vor allem auf den Apfel­tagen in der Umgebung war er bald nicht mehr wegzu­denken. Seine Ausstellungen waren einzig­artig. Die große Vielfalt der Apfel­sorten der Obst­wiesen brachte er auf langen Tischen zum Ausdruck. Und im Früh­jahr? Da gab es auf der LAGA in Wittstock einen eigenen Tisch mit Apfel­blüten, die von fast schnee­weiß bis dunkel­rosa die Besucher faszinierten. 

Geduldig und unterhalt­sam bestimmte er die mitge­brachten Äpfel und Birnen, erklärte die Probleme ihrer Obst­bäume und sagte nicht selten, dass auch ein Baum sich über ein Geburtstags­geschenk in Form einer Düngung oder Pflege­maß­nahme freut. Immer widmete er sich den Kindern, denen er gern auf die ihm eigene Weise erklärte, wie man mit madigen Früchten umzu­gehen hat.

Sehr engagiert hat er sich in der Erhaltung und dem Aufspüren von Lokal­sorten. Bei den Kartierungen fand er die verschiedensten Typen der Hasen­köppe, die er nicht nur mit Senioren gemeinsam verkostet hat, sondern zur Erhaltung der Sorten­vielfalt auch vermehren ließ. Der „Zehdenicker Landapfel“ fehlt auf keiner Ausstellung. Gern hätte er auch die in Rheinsberg einst bekannte Sorte „Friedrich der Große“ ange­siedelt. Leider fehlte ihm durch seine Krank­heit die Kraft, umfang­reich danach zu recherchieren.

Trotz seiner schweren Krank­heit arbeitete er intensiv an seiner Home­page, lud uns zu pomologischen Nach­mittagen ein, wo wir gemeinsam die schwierigen Sorten auseinander­nahmen und unter­stützte uns „Nachwuchs­pomologen“ mit Apfel­päckchen, Literatur oder Telefonaten, die nicht selten vom Kranken­haus kamen. Bewunderns­wert war sein unerschöpf­licher Lebens­mut, sich trotz der Krank­heit an den kleinen Dingen des Alltags zu erfreuen, sei es die Biene auf der Blüte, ein drolliger Stiel­wulst am Apfel oder ein verrücktes Huhn auf dem Hof.

Im Herbst des Jahres 2020 wurde Jürgen Sinnecker für seine heraus­ragenden Leistungen auf dem Gebiet der Erhaltung pflanzen­genetischer Ressource im Obstbau mit dem Oberdieck-Preis der Stadt Naumburg (Hessen) und dem Pomologen-Verein e.V. geehrt. Auf der Oberdieck-Wiese in Naumburg wird der „Quittenapfel vom Fünffinger­stein“ nun an sein Wirken erinnern.

Jürgen Sinnecker wurde 68 Jahre alt. Wir sind sehr dankbar, unseren Apfel­mann als Kollegen, Freund und Berater an unserer Seite gehabt zu haben und werden ihn und seine großen Verdienste in guter Erinnerung behalten.

Jürgen Sinnecker bei der Apfelernte 2008
Jürgen Sinnecker bei der Apfelernte 2008