Zu früh wachgeküsst: Schalter für die Regulation der Knospenruhe bei Äpfeln identifiziert

03.08.2020

Presseinformation des Julius Kühn-Instituts vom 30. Juli 2020

Forscherteam mit Beteiligung des JKI entwickelt züchterischen Ansatz, um Obstbäume, die wegen des Klimawandels zu früh blühen, künftig vor Frostschäden zu schützen. Fachpublikation berichtet über die zentrale Rolle des MdDAM1-Gens.

(Dresden-Pillnitz) Wissenschaftler des Julius Kühn-Instituts (JKI) haben gemeinsam mit italienischen Kollegen ein Gen identifiziert, welches für die Winterruhe bei Äpfeln von zentraler Bedeutung ist. Mit Hilfe dieses Wissens könnten künftig neue Sorten gezüchtet werden, die besser vor den negativen Auswirkungen des Klimawandels geschützt werden. „Den Mechanismus der Knospenruhe zu verstehen ist wichtig, um den Obstbau an den Klimawandel anzupassen“, sagt Prof. Dr. Henryk Flachowsky, Leiter des JKI-Instituts für Züchtungsforschung an Obst und Mitautor der Publikation (DOI: 10.3389/fpls.2020.01003). „In vielen Regionen Deutschlands beobachten wir derzeit, dass Apfelbäume infolge der Klimaerwärmung bis zu zwei Wochen früher ihre Winter­ruhe beenden und blühen.“ In dieser Zeit treten vielerorts aber auch noch Nacht­fröste mit Temperaturen weit unter dem Gefrier­punkt auf. Die Folge sind Frost­schäden an den Blüten, die zu Ertrags­einbußen führen.

Der Ruhe­zustand, in dem nahezu kein Stoff­wechsel in der Knospe mehr stattfindet, wird als Endodormanz bezeichnet. Sie macht die Knospe unempfindlich für äußere Reize wie Temperatur und Licht. Erst wenn die Knospe einer ausreichenden Anzahl an Kälte­stunden (Kälte­bedürfnis) ausgesetzt war, endet diese Phase der Dormanz. Sobald die Temperaturen wieder ansteigen, bricht die Knospe auf. Dieser Prozess läuft nicht bei allen Apfel­sorten gleich ab. Unter­schiede im zeitlichen Verlauf der Knospen­ruhe bieten manchen Sorten einen besseren Schutz vor Frühjahrs­frösten.

Seit etwa zehn Jahren erforschen JKI-Wissen­schaftler zusammen mit dem Forschungs- und Innovations­zentrum der Edmund Mach-Stiftung in San Michele all’Adige (Italien) die genetischen Mechanismen, welche die Endodormanz bei Apfel­bäumen regulieren. Mit MdDAM1 haben sie nun ein Gen identifiziert, das bei Äpfeln und anderen Baum­obst­arten sowohl beim Eintritt in die Dormanz als auch beim Austritt eine zentrale Rolle spielt. Das Gen sorgt im Herbst dafür, dass der Baum das vegetative Wachstum nach und nach einstellt und in die Winter­ruhe übergeht. Mit zunehmender Zahl Kälte­stunden im Winter verliert MdDAM1 an Aktivität, bis diese Anfang März nahezu vollständig zum Erliegen kommt. Kurz darauf erfolgt der Knospen­aufbruch. Bei Sorten mit einem geringeren Kälte­bedürfnis ist die Aktivität von MdDAM1 bereits im Februar sehr niedrig. Bei diesen Sorten brechen die Knospen auch wesent­lich früher auf. „Bäume, bei denen das Gen nahezu inaktiv ist, waren hingegen gar nicht mehr in der Lage, die Knospen­ruhe einzuleiten. Sie blieben das ganze Jahr grün und bildeten fort­während neue Blätter und Blüten“, erklärt Prof. Flachowsky.

Ausgehend von diesen Erkenntnissen werden die Forscher jetzt in den genetischen Ressourcen des Apfels, etwa bei den Sorten und Wild­arten in der Obstgen­bank des JKI in Dresden-Pillnitz, nach Varianten (Allelen) des MdDAM1-Gens suchen und diese auf ihre Verbindung mit Kälte­bedürfnis und Blüte­zeit­punkt unter­suchen. Dadurch ließe sich das Blüh­verhalten von Apfel­sorten besser vorhersagen – eine wichtige Voraus­setzung, um neue, an den Klima­wandel angepasste Sorten zu züchten.

Publikation:
Moser M, Asquini E, Miolli GV, Weigl K, Hanke M-V, Flachowsky H and Si-Ammour A (2020) The MADS-Box Gene MdDAM1 Controls Growth Cessation and Bud Dormancy in Apple. Front. Plant Sci. 11:1003. » www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpls.2020.01003/full

Wissen­schaftlicher Ansprech­partner:
Prof. Dr. Henryk Flachowsky

Julius Kühn-Institut (JKI), Bundes­forschungs­institut für Kultur­pflanzen, Institut für Züchtungs­forschung an Obst
Pillnitzer Platz 3a, 01326 Dresden

Tel. 03946 478001

E-Mail: henryk.flachowsky(at)julius-kuehn.de